Kein Weg

Kein Weg, der mich zu dir führt, keine Straße. Kein Boden unter den Füßen. Meine Schritte verhallen in trüber Leere. Die letzten Sonnenstrahlen zerschneiden den Flug der Vögel. Kein Wind, der mich fortweht, keine Wolke, die mich trägt. Ich sehe die Welt mit den Augen eines Gefangenen. In meiner Hand das sterbende Herz der Stille. Kein Schrei, der mich zerreißt. Ich lebe die Träume eines Toten. Kein Schlaf, der mich vergessen lässt. Kein Mensch, der mich weckt.

Zur falschen Zeit

Zur falschen Zeit an dem einzigen Ort der Welt, der das Unmögliche wirklich werden lässt. In diesem winzigen Moment, der den Himmel zerknüllt wie ein bedeutungsloses Stück Papier. Als ob das letzte Wort, das noch zu sagen wäre, auf der Zunge explodierte. Ein verheerender Sturm in der hohlen Hand Gottes, zur Faust geballt im Augenblick des Todes, kraftlos zitternd, eine Wolke, die ihr Leben aushaucht. Dieser Schrei, der für die Dauer eines Wimpernschlags alles Dunkel in Feuer taucht und alles Licht in kalte Schwärze. Ein unscheinbares Lächeln, das ohne Vorwarnung den Strom meiner Tränen austrocknet.

Aus allen Wolken

Aus allen Wolken der Regen, ein Schleier, der sich über die Welt legt wie ein fadenscheiniges Leichentuch, lautlos fast, und alles unter sich begräbt, was nach Licht und Wärme hungert. Kein Entkommen, wie es scheint, nicht einmal ein schwaches Aufbäumen. Gnadenlos sanft die Heerschar der stillen Tropfen, unbeirrbar und unwiderstehlich. Kein Schrei, kein Schmerz. Unmerklich das Sterben im Innern. Alles Leben totgeschwiegen.

Ich weiß nicht

Ich weiß nicht, ist es schon das Ende – ein Zug, der in voller Fahrt entgleist, lautlos wie die Erinnerung an einen Traum. Ist das schon alles? Ein paar Zeilen in der Zeitung, die niemand liest. Staub, der – kaum aufgewirbelt – sich bald schon wieder legt. So schnell also wäre es vorbei: schmerzhaft, aber mühelos. Ein Schrei, der die Dunkelheit zerreißt. Ein Vogel, der aus heiterem Himmel auf die Erde stürzt. Kein Weltuntergang, wie es scheint. Keine Vergebung der Sünden. Ich weiß nicht, hat es wirklich schon begonnen?

Stille Nacht

Stille Nacht unter freiem Himmel, eingesperrt in die Ewigkeit, das farbige Rauschen der Finsternis. Für einen Moment der Welt abhanden gekommen – wie ein Schrei, der ungehört verhallt. Und doch beide Füße auf festem Grund, mit einem Zugvogel im Herzen, der mir die Ferne zuflüstert, das Unbekannte hinter dem Gartenzaun. Tief verwurzelt in der Wirklichkeit, den Blick zu den Sternen erhoben. Träume im Exil, die geheimen Wünsche im Brunnen.

Fremdes Blut

Fremdes Blut in meinen Adern – oder zumindest das Blut eines Menschen, der ich nicht bin, nicht sein will. Ein anderes Leben unter meiner Haut, beängstigend und erfrischend zugleich, verstörend und besänftigend wie eine unsichtbare Stimme, die mich in den Schlaf singt. Heilsam und Verderben bringend wie die Dunkelheit, die sich in mein Herz schleicht, um Träume zu gebären. Nacht auf meinen Augen, mein Denken bloß noch ein Rauschen, der niemals endende Schrei eines Sterbenden.