Mehr als genug

Mehr als genug von allem, was mich zu diesem unförmigen Schatten macht, der durch verlassene Straßen irrt wie ein Mensch aus Fleisch und Blut, der glaubt, er sei eine Vogelscheuche, den Kopf voll Stroh, auf dem Weg zum großen Zauberer. Im Überfluss, was niemand braucht, um unglücklich zu werden – weil wir alles schon besitzen: die elektrischen Dosenöffner und Bleistiftanspitzer, die parfümierten Briefbeschwerer und Schlüsselanhänger. Weil wir unsere Träume mit Halsschmerztabletten und Hustensaft füttern. Eine ganze Welt zu verschenken, die niemand haben will, weil kein Platz mehr im Kühlschrank ist.

Lichter der Kleinstadt

Lichter der Kleinstadt: an allen Ecken und Enden der Straßen – nur nicht in den Gesichtern der wandelnden Toten. Alles glänzt und leuchtet, glüht und lacht – nur nicht die Augen der Menschen, die hier leben oder wohnen, die einsam und unbeirrbar von Geschäft zu Geschäft ziehen, sich von der Strömung treiben lassen, die immer dorthin führt, wo das lockende Glück die dumpfe Masse verspottet. Niemand hier ist so lebendig wie die Bestattungsunternehmer. Irgendwo duftet es nach frischem Brot – für die Ratten. Es stinkt nach Weihnachten. In jedem Schaufenster sieht man die ewig gleiche Grimasse des in den Alptraum hinein erwachten Schläfers.

Schöne Aussicht

Schöne Aussicht: der Blick ins Innerste dieses Tages, der nichts von sich preisgibt außer ein paar blinkenden Lichtern, stummen Schatten und verschwommenen Gesichtern. Ich steige hinab in die Unterwelt der flüchtigen Eindrücke. Straßen, die unter dem Gewicht meiner Schritte zerreißen. Spiegel, die zu Gedanken werden – und zerbrechen. Das Raunen der Ferne, ein Seufzer der Zeit selbst. Nackt und schamlos, was ich sehe, so lebendig die Toten in ihren Kostümen, so heiter die Wirklichkeit in ihrem Grab.

Spaziergang

Spaziergang durch eine Welt, die mir vertraut ist, über Wege, die ich schon als Kind gegangen bin, auf Straßen, deren Namen ich weiß. Alle Ecken und Winkel kenne ich. Gärten hinter bemoosten Mauern, das Gras im Schatten der Bäume. Die Verstecke und geheimen Pfade. Der Klang meiner Schritte balanciert auf dem Wind, der um die Häuser streicht, schwer und regungslos seit einer halben Ewigkeit. In jeder Richtung ein Stück Geschichte, das Vergangene in jedem Anblick gegenwärtig. Für einen winzigen Moment unvergänglich.

Seltsame Gegend

Seltsame Gegend, die ich mein Zuhause nenne, in die ich hineingeboren wurde – als Fremder, ungefragt und ohne Alternative. Nun bin ich hier verwurzelt. Oder vielleicht doch nur begraben, versunken in den Sümpfen meiner Heimat. Stille in den Straßen, Menschen, deren Namen mir nicht mehr einfallen, farblos und verstummt, mit Gesichtern ohne Augen, ohne Münder. Dieser tote Fluss, der mein Leben durchkreuzt, das flüssige Grabmahl meiner Jugend. Hin und wieder das Läuten der Kirchenglocken, Ruf und Warnung zugleich. Ich bewohne diesen Ort wie ein Vogel, der aus dem Nest gefallen ist.

Verschlossen

Verschlossen die Tür, durch die ich eben noch gegangen bin, der Weg zurück versperrt, fast so, als hätte es ihn niemals gegeben. Vergessen meine Herkunft, all die Stationen meines Lebens, die ich hinter mir ließ – wie ausgelöscht. Die Orte, an denen ich blieb, vielleicht nur für eine kurze Weile – von der Landkarte verschwunden. Die Fenster, aus denen ich auf regennasse Straßen herabsah, verdunkelt. Der Gesang der Vögel verstummt. Wie ausgestorben die Wälder, in denen ich mich verlief. In mir nichts als stille Trostlosigkeit, die sich zu erinnern versucht – vergeblich. Meine Augen geblendet von der Finsternis, die mich erwartet.