Reise zur Sonne, mit dem Kopf voran ins Licht, die Augen weit aufgerissen, um auch nicht einen einzigen Moment zu versäumen. Mit dem Kopf voran, das heißt in Gedanken. Nur so ist es zu ertragen. Eintauchen in den Stern, der dich gebar – ohne zu zögern, ohne einen Blick zurück. Hast du Angst? Brennen wirst du: ein Fünkchen Wahrheit, von der niemand jemals erfahren wird. Nichts wird mehr an dich erinnern, nicht eine Handvoll Staub, doch das ist nicht von Bedeutung. Der Tod selbst ist machtlos im Vorgarten Gottes. Endlich angekommen in dieser Welt ohne Schatten.
Kategorie: Nachrichten aus dem Niemandsland
(2011)
Aussichtslos: das Leben
Aussichtslos: das Leben in einer Sackgasse, noch nicht am Ende, dennoch zum Scheitern verurteilt. Kein Weg führt da heraus, keine geheime Tür, die sich öffnet, kein verborgener Tunnel, keine Stimme im Dunkeln, die mir zuflüstert: mach weiter oder: kehr um oder: was immer du auch tust. Keine unsichtbare Hand legt sich auf meine Schulter. Ich atme, aber spüre die Luft nicht mehr – nur die Leere, die mich ausfüllt wie eine falsche Erinnerung.
Glückliche Liebe
Glückliche Liebe, vielleicht, in einem anderen Leben, wer weiß, im Leben eines anderen. Nichts als Schatten sind wir, die einander umarmen, Wolken, die unter der Last ihrer Tränen zu Boden sinken. Unmöglich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne auf ein Grab zu treten. Enttäuschte Hoffnungen, wohin man blickt. Wir hinterlassen Spuren, die niemand findet, Worte, die niemand liest. Fremde sind wir, die sich selbst nicht kennen. Nichts besitzen wir – das allein ist liebenswert.
Höhere Gewalt
Höhere Gewalt – dein großer Mund auf meiner Haut, deine Füße in meinen Gedanken, dein Blick unter meinen Fingernägeln. Worte ohne Sinn, unsterblich, und doch mit dem Tod im Bunde. Worte mit Haaren auf den Zähnen, dem Schweigen bedrohlich nah. Worte, die von Wänden abprallen wie verendendes Sonnenlicht. Dein Gesicht am Fenster – vergiss nicht, dass du gefangen bist.
Schon wieder
Schon wieder am Ende eines Tages angelangt, der so wenig wirklich war wie die versteinerte Wolke in meinem Mund. So bedeutungslos wie der Staub unter meinen Fingernägeln, das Lachen eines Engels, gefangen in meiner geballten Faust. Dieser Tag, der auf Zehenspitzen rückwärts ging, der mit toten Augen durch mich hindurchsah, der mich in den Armen hielt wie ein schlafendes Kind. Nun, da es endet, da Müdigkeit das Blut aus meinen Adern saugt, Dunkelheit mich umgibt wie ein Grab – nun wird mir klar, dass es niemals einen Anfang gab. Und dieser Tag war nichts weiter als ein Funke ohne Feuer.
Gefallen
Gefallen auf dem Weg zu den Sternen – wie ein umgekehrter Engel, der fortan unter Menschen haust: Kopf in den Wolken, die Füße unter dem gedeckten Tisch. Wie ein brennendes Wort, das vom Himmel stürzt, um alle Lüge dieser Welt auszulöschen. Gestrauchelt – wie ein einzelner Sonnenstrahl auf Irrfahrt durchs menschliche Herz. Kein Verzeihen ohne die unauslöschliche Erinnerung der Schuld. Keine Erleuchtung ohne die Schwärze des Abgrunds. Schweigen für die Erlösung. Ganze sieben Schritte zu einem besseren Leben: obdachlose Weisheit auf regennasser Straße. Augen für das zertretene Glück zu deinen Füßen.
Im Untergrund
Im Untergrund des Wirklichen, dem Tageslicht entzogen, verborgen in den Niederungen des Denkens: die Geburt eines neuen Menschen – nackt und verletzlich, vollkommen fremd dieser Welt, die ihn ausgetragen hat. Hilflos und zerbrechlich – das perfekte Opfer. Oder einfach nur ein unbeschriebenes Blatt, das darauf wartet, zerrissen zu werden.
Funkstille
Funkstille am anderen Ende der Leitung. Keine Antwort auf meine Fragen. Was ich auch sage – kein Bild, kein Ton. Vielleicht bin ich längst allein, führe Selbstgespräche. Oder ich spreche die falsche Sprache. Mag sein, dass mein Gerede nicht zu ertragen ist, meine Sorgen und Ängste lästig sind. Niemand da, der mir zuhört. Vielleicht wäre das zu viel verlangt: ein offenes Ohr, ein wenig Aufmerksamkeit. Ab und zu ein kleines Lebenszeichen, eine spürbare Präsenz. Ein paar Minuten nur für mich. Hallo, ist da jemand? Wenn man doch wenigstens dem Schweigen einen Sinn abgewinnen könnte. Kein Trost, keine Beschwichtigung, nicht einmal Gleichgültigkeit. Kein einziges Wort. Nichts.
Das Rauschen
Das Rauschen zwischen den Zeilen des Glücks, Schnee von gestern oder Zukunftsmusik. Das Lächeln der Sterne am Vorabend des Weltuntergangs – so blass und fern, Ausgeburten des Zweifels. In meinen Händen halte ich eine unbekannte Welt, unvorstellbar groß. Alles Leben in der Gewalt eines Sterblichen, der nicht einmal ahnt, dass sein Lachen die Erde erzittern lässt.
Dein Blick
Dein Blick wie ein Sturm, der über mich hinwegfegt: kalt und gnadenlos. Deine Augen in meinem Herzen – blinde Wut, die mich zerreißt, ohne mit der Wimper zu zucken. Wie immer ein Lächeln auf den Lippen, die Freundlichkeit des Henkers, Trost und Verachtung zugleich. Deine Gedanken gleichen einem Schlachtfeld ohne Horizont, hoffnungslos bist du, seit jeher verliebt in die Zerstörung. An sonnigen Tagen gehst du durch Wände.