Aus dem Ärmel

Aus dem Ärmel geschüttelt ein paar Zeilen, ohne Hand und Fuß, schließlich drängt die Zeit. Und was, wenn es nun doch einer liest? Wenn einer bemerkt, dass diese letzten Worte des Tages ergaunert statt erkämpft sind? Dass sie nicht mit deinem Blut geschrieben sind, nicht einmal mit Tinte? Doch am Ende kräht kein Hahn danach. Die Wirklichkeit des Schreibens rührt an keine Wahrheit. Kein Wort dringt zum Mittelpunkt der Welt vor, kein Gedanke schwingt sich zum Himmel auf. Nur so erkauft man sich das Schweigen.

Konzert der Frösche

Konzert der Frösche in den Eingeweiden des gestrigen Tages. Vom Frühling blieb nur das zerknüllte Papier eines Kaugummis übrig, die zerrissene Nabelschnur der Stille. Nun ist nichts als Leere zwischen den Zäunen, die meinen kleinen Garten von der Welt abschneiden – ein einfacher Schnupfen genügt, um aus einem Blütenmeer eine Steinwüste zu machen. Längst verstummt ist der Gesang der Vögel. Schwarzes Blut tropft von meinen Grashalmwimpern, alles Leben bloß noch Erinnerung, farblos, verscharrt in einem Erdloch.

Fremdes Blut

Fremdes Blut in meinen Adern – oder zumindest das Blut eines Menschen, der ich nicht bin, nicht sein will. Ein anderes Leben unter meiner Haut, beängstigend und erfrischend zugleich, verstörend und besänftigend wie eine unsichtbare Stimme, die mich in den Schlaf singt. Heilsam und Verderben bringend wie die Dunkelheit, die sich in mein Herz schleicht, um Träume zu gebären. Nacht auf meinen Augen, mein Denken bloß noch ein Rauschen, der niemals endende Schrei eines Sterbenden.

Atemnot

Atemnot inmitten völliger Frische. Ich schnappe nach Luft, ohne meine Lungen füllen zu können, der Sauerstoff lässt mich ersticken, macht mich krank, während ich doch bloß versuche, am Leben zu bleiben. Dabei droht mir keine Gefahr, denn in Wirklichkeit bin ich längst gestorben. Ich atme und bin doch zugleich ein anderer: jemand, der blau anläuft, jemand, dessen Blut vergiftet ist, jemand, der ohnmächtig darauf wartet, endlich wieder aufzuwachen.

Falsches Blut

Falsches Blut in meinen Adern wie ein schleichendes Gift, das sich als Lebenselixier ausgibt. Feiger Verrat, der meinen Körper von innen auffrisst, anstatt die Löcher zu stopfen, all die ungezählten Wunden zu heilen. Nun spüre ich, wie eine Vorahnung des Todes sich in mir ausbreitet, unaufhaltsam, gnadenlos. Ich bin der lebende Beweis für meine Sterblichkeit – als hätte ich das nicht schon immer geahnt. Nun aber ist die Sache ernst, denn mit jedem Herzschlag meißelt sich die Erkenntnis tiefer in mein erzitterndes Fleisch: mein Körper ist diese Krankheit zum Tode.

Aus den Sümpfen

Aus den Sümpfen erhebt sich die Stimme eines Brachvogels, während trübes Licht wie ein Schleier zu Boden sinkt, schwerelos, die Dämmerung der Götter zwischen Tür und Angel, wie ein aufgeschnappter Blick, der in uns zerbricht – ins Sterben hinein geboren, ohne vom Tod zu wissen. Lieder ohne Worte wie dieses verblasste Bild aus einer Vergangenheit, die seit jeher nicht zu uns spricht, nichts sagend, ein fliehendes Rätsel, verstohlener Kuss. Im Halbschlaf hierher verirrt, diese unmögliche Welt. Strauchelnde Schritte durchs hohe Gras, die grundlose Einsamkeit des Heimkehrers, dem Läuten der Glocken hörig – lauwarmes Blut, das vom Himmel tropft.