Abgesang

Abgesang auf die Finsternis im Herzen des hellichten Tages. Berauscht von der eigenen Tatenlosigkeit, dem Zögern, dem vorweggenommenen Scheitern, lausche ich den Klängen der Stille. Das Rauschen der Wolken auf dem Weg in unsichtbare Ferne. Der Flügelschlag einer Schwalbe, die zärtlich meinen Atem in Stücke schneidet. Das Zirpen der Grille, einsam auf einem vertrockneten Grashalm. Mein eigenes Schweigen, das ohne Antwort bleibt.

Beinahe

Beinahe das Ziel erreicht, die letzte Station fast schon in Sichtweite – und doch nimmt es kein Ende. Die Reise geht weiter: auf unbestimmte Zeit und ohne Perspektive. Die ersehnte Ankunft bis auf weiteres verschoben. Irgendwann. Ferne wurde zu Unerreichbarkeit, und meine Schritte verkommen zum Straucheln. Wohin also, wenn jeder Weg abgeschnitten, jede Hoffnung erstickt ist? Selbst eine Rückkehr scheint unmöglich. Beinahe hätte ich es geschafft – das klingt nach niemals.

Wie eine Puppe

Wie eine Puppe in den Händen eines Toten, ein letzter Abschiedsgruß, liebevoll und stumm. Der Blick gen Himmel, nach innen gekehrt, wo nichts ist, ins Licht, wo nichts als Dunkelheit sich ausbreitet, in die Ferne, die von innen an uns nagt. Längst liegt hinter uns, was unerreichbar schien, nur gefunden haben wir es nie. Tief in feuchter Erde begraben: die Sterne, jeder einzelne mit einer Nummer versehen, damit im Getümmel keiner verloren geht.

Am Anfang

Am Anfang ist die Schwermut, wie eine schwarze Sonne über allem, was am Boden kriecht. Die Dunkelheit in den Gesichtern der Ausgestoßenen. Das unterirdische Grollen in der Ferne. Das Flüstern und Tuscheln in den Katakomben unter der Stadt. Am Anfang ist nichts als die Ungeduld. Das Flimmern des Asphalts an einem heißen Sommertag. Eine unwillkürliche Bewegung meiner Hand, das Zittern meiner Wimpern beim Anbruch der Nacht, das Schweigen der Sterne hinter den Wolkentürmen. Mit dem Sturm kehrt die Ruhe zurück, das erstickte Lachen der Götter.

Sternenhimmel

Sternenhimmel über mir, schlicht und ergreifend. Eine Welt irgendwo da draußen, unnahbare Schönheit, noch nicht zum Leben erwacht, während ich – hier unten – mit meiner Müdigkeit ringe, dem Schlaf trotze und meine Träume auf Reisen schicke. Mein Blick geht ins Leere. Nicht die leiseste Ahnung, was mich dort, wo nichts zu sein scheint, erwartet, nichts, denke ich, nur die kalte, geduldige Unerreichbarkeit. Müßig, solchen Gedanken nachzuhängen – mit einer schwarzen Wolke im Herzen. Das fahle Licht in der Ferne schwindet, während mein Kopf zu Boden fällt.

In Windeseile

In Windeseile um die ganze Welt: die Nachricht von deinem Verschwinden. Fluchtartig hast du diese Welt verlassen, still und heimlich wie ein Dieb. Ein verblassender Stern in der endlosen Weite der Nacht. Ohne ein Wort des Abschieds und der Hoffnung. Wo in dieser Dunkelheit bist du? Welche Unerreichbarkeit ist nun dein Zuhause? Welche unaussprechliche Ferne ziehst du dem Hier und Jetzt vor? Das Echo deiner Stimme wie eine Träne, die ins Meer fällt. Schwarzer Ozean des Vergessens, unbewegt wie ein blinder Spiegel. Ein Ertrinkender auf der anderen Seite – ein Ruf, der keine Spuren hinterlässt.

Unendliche Weiten

Unendliche Weiten der Angst, dieser Schwarm sterbender Vögel in meinem Blut, in meiner Einsamkeit. Was schon weiß ich von ewiger Verdammnis? Ein Sklave des Lichts und der Farben inmitten der Finsternis, ein Reisender bin ich, der sein Ziel niemals verließ. Nichts als Ferne, wohin ich auch blicke. Kein Wunder, dass ich mir selbst ein Fremder bleibe, wohin ich auch gehe. Ich gehe nicht, ich bin längst fort. Nichts hält mich. Ich falle, wo keine Tiefe ist, keine Höhe – zaghaft sogar noch im Sturz.

Tiefe Finsternis

Tiefe Finsternis am hellichten Tag: mein Herz, jener unbekannte Ort hinter den Bergen aus Traurigkeit. Ohne Hoffnung breche ich auf, begebe mich auf den Holzweg, umnachtet, betrübt. Der schwarz gefiederte Schrei einer Krähe – wunderliches Tier, nicht einmal du willst mich begleiten. Wohin verliere ich mich? In welche Abgeschiedenheit, welche Unauffindbarkeit? Die schwankende Erde unter meinen Füßen, maßlos das Treiben schwerer Wolken vor gähnendem Himmel. Wie ein Betrunkener stolpere ich in die Stille. Ein letzter Blick zurück: ohne jede Ahnung, woher ich komme. Dort also bin ich gewesen, wo nichts ist als Aufbruch.

Kein Erwachen

Kein Erwachen aus dieser Wirklichkeit. Man öffnet nicht einfach die Augen und beginnt von vorn oder macht da weiter, wo es nicht wehtut. Dieses Leben ist nicht verhandelbar – unumstößlich, was geschehen ist, unbeirrbar, was daraus folgt. Man wendet sich nicht ab, ohne daran zugrunde zu gehen, das ist gewiss. Niemand tritt einen Schritt zur Seite, springt über seinen eigenen Schatten. Kein noch so fester Wille hält die Uhr an: diese Uhr ohne Zeiger. Vielleicht klingelt irgendwo ein Telefon – Ruf aus erlösender Ferne, unerhört. Dieses Zimmer ist seit einer Ewigkeit nicht mehr bewohnt. Am anderen Ende der Leitung: eine Warteschleife.

Aus der Ferne

Aus der Ferne das Flüstern einer Wolke: es ist schon spät – ich bin mir nicht sicher, ob ich es richtig verstehe, es ist vielleicht schon zu spät – dazwischen liegen Welten, nichts ahnend, unschuldig. Obwohl die Nacht erst beginnt, ist sie fast schon wieder vorbei. In meiner Vorstellung klingt das nicht wie ein Widerspruch – es ist anders gar nicht denkbar. Im Halbschlaf erzähle ich von meinen Heldentaten. Es ist der Übergang von Tag und Nacht, Nacht und Tag, der mein Denken anstößt. Diese Wolke in der Ferne, das Flüstern. Es ist mein Denken, das spät dran ist, zu spät, auf dem Weg durch die Welt – zu mir.