Das dunkle Rauschen

Das dunkle Rauschen der Ferne, so kalt, so lebendig. Zahllose Stimmen, die sich dem Vergessen entringen, längst Vergangenes, das sich mitteilt wie ein winkendes Kind auf der anderen Straßenseite. Das Geschwätz der Liebenden. Die tastenden Schritte der Blinden am hellichten Tag. Das Lachen der zum Tode Verurteilten. Unnahbar die Abgeschiedenheit einer anderen Zeit, einer anderen Welt – und doch so vertraut, so gewöhnlich, so alltäglich. Vielleicht mein eigenes Leben, dem ich lausche: mit der Neugier eines Fremden.

Schöne Aussicht

Schöne Aussicht: der Blick ins Innerste dieses Tages, der nichts von sich preisgibt außer ein paar blinkenden Lichtern, stummen Schatten und verschwommenen Gesichtern. Ich steige hinab in die Unterwelt der flüchtigen Eindrücke. Straßen, die unter dem Gewicht meiner Schritte zerreißen. Spiegel, die zu Gedanken werden – und zerbrechen. Das Raunen der Ferne, ein Seufzer der Zeit selbst. Nackt und schamlos, was ich sehe, so lebendig die Toten in ihren Kostümen, so heiter die Wirklichkeit in ihrem Grab.

Eine Krankheit

Eine Krankheit wie jede andere: das Leben – Geschenk desTeufels, das man nicht ausschlagen kann. Ein Tröpfchen Blut, das Wunder vollbringt und tötet. Eine Wunde, die sich niemals schließt. Es gibt keine Heilung außerhalb der Sprechzeiten, keine Hoffnung für die Infizierten. Es gibt kein Entrinnen. Der Tod ist nur ein Symptom. Du kannst rennen, aber deine Schritte verenden in der Leere. Du kannst lachen, während deine Stimme in Tränen ertrinkt. Verbirg dich in einer Kiste auf dem Grund des Meeres – und die Dunkelheit wird dich finden.

Spaziergang

Spaziergang durch eine Welt, die mir vertraut ist, über Wege, die ich schon als Kind gegangen bin, auf Straßen, deren Namen ich weiß. Alle Ecken und Winkel kenne ich. Gärten hinter bemoosten Mauern, das Gras im Schatten der Bäume. Die Verstecke und geheimen Pfade. Der Klang meiner Schritte balanciert auf dem Wind, der um die Häuser streicht, schwer und regungslos seit einer halben Ewigkeit. In jeder Richtung ein Stück Geschichte, das Vergangene in jedem Anblick gegenwärtig. Für einen winzigen Moment unvergänglich.

Das Ende

Das Ende so nah, dass ein Anfang nicht lohnt. Von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Zwei, drei Schritte vielleicht, ein kleiner Sprung – schon stößt man mit der Stirn vor die Wand. Ein Atemzug, ein halber Herzschlag – plötzlich hält die Welt inne. Ganz ohne Grund, ohne einen Sinn. Als ob in meinem Kopf alle Kreaturen des Himmels verstummten. Ich schlafe auf dem Grund eines Brunnens, tief im Innern der Erde. Mag sein, dass alles nur ein Traum ist, eine verblassende Erinnerung, ein Gedanke im Augenblick seiner Geburt. Ins Verschwinden hinein erwachen.

Kein Weg

Kein Weg, der mich zu dir führt, keine Straße. Kein Boden unter den Füßen. Meine Schritte verhallen in trüber Leere. Die letzten Sonnenstrahlen zerschneiden den Flug der Vögel. Kein Wind, der mich fortweht, keine Wolke, die mich trägt. Ich sehe die Welt mit den Augen eines Gefangenen. In meiner Hand das sterbende Herz der Stille. Kein Schrei, der mich zerreißt. Ich lebe die Träume eines Toten. Kein Schlaf, der mich vergessen lässt. Kein Mensch, der mich weckt.

Wovon ich spreche

Wovon ich spreche, wenn ich nichts sage, weil nichts mehr gesagt werden kann. Wovon ich rede, wenn mir nichts mehr einfällt. Was ich erzähle, wenn alle Geschichten vergessen sind. Wovon ich schweige, wenn alles auf der Hand liegt. Was ist zu tun, wenn der Boden unter deinen Schritten aufleuchtet? Und was, wenn ein Berg dich verfolgt? Worte, die dir zu Füßen liegen, wenn du längst in der Bedeutungslosigkeit versunken bist. Ich verstecke mich zwischen den Zeilen. Nichts hält mich davon ab, die Wahrheit zu erfinden.

Unterwegs

Unterwegs durch nicht enden wollende Nacht, allein auf einer hell erleuchteten Straße, die mich durch versteinerte Schwärze führt. Dumpfe Langeweile in Gedanken an einen unbemerkt verstrichenen Tag. Keine Zeit mehr, die mich in der Welt hielte, kein Himmel, der mich zu Boden drückt, kein Mensch, dem ich ausweiche. Nur die spitzen Schritte eines Schattens. Dem Vergessen auf der Spur. Zerrissen die papierne Stille meines Herzschlags.

Ein Anfang

Ein Anfang, irgendwo in der Mitte des Weges. Eine geöffnete Tür auf halber Strecke – ins Unbekannte. Zähle nicht die Schritte, die aus dem Dunkel herausführen, nicht die Steine, die unter deinen Schritten zu schwarzem Staub zerfallen. An diesem Punkt beginnt dein Leben erneut, vielleicht gerade in dem Augenblick, da du dich umschaust, zurückblickst. Woran denkst du, während du strauchelst? Ohne Netz und doppelten Boden.

Fehl am Platze

Fehl am Platze: der stechende Schmerz deines Lächelns in meiner Brust, so unwirklich, dass ich mich frage, wie ich gestern noch glücklich sein konnte. Das Sonnenlicht deiner Augen – als ob die Welt nicht längst schon viel zu hell wäre. Die Stille im Schatten deiner Schritte, von denen keiner dich zu mir führt oder auch nur in meine Nähe. Keine Spur von mir in deinen Gedanken. Selbst wenn ich schreien könnte, perlten meine Worte von dir ab – wie Regentropfen von einem undurchsichtigen Fenster. Deine ungestörte Ruhe, so heilig wie meine Wut, die dich niemals erreicht.