Die Welt in Farbe

Die Welt in Farbe, schön bunt, fast schon zu grell aus dem Innern leuchtend – eine schillernde Blüte in Erwartung des Frühlings. Eingemottet nun der graue Mantel der Trübsal, die Wollsocken der Trauer – ein erster Sonnenstrahl zaubert dem Garten ein leises Lächeln ins Gesicht und lockt die Schläfer ins Freie. Das ewige Warten hat nun ein Ende, vorbei die Qualen der Langeweile, das dunkelste Loch trägt wieder den Keim der Erleuchtung in sich, der entlegenste Winkel scheint erneut mit Leben gefüllt. Fast könnte man erschrecken: zum Glück verdammt sind wir, wie Schmetterlinge an den Himmel genagelt.

Aus den Fugen

Aus den Fugen das bisschen Welt, das ich mein Leben nenne. Dieses große Theater vor ausverkauftem Haus und leeren Rängen. Nicht mehr der Rede wert von heute auf morgen, aus und vorbei, unwiederbringlich verloren, wie es scheint, die Zeit ist abgelaufen, endgültig. Und doch hat es weder Blitz noch Donner gegeben, keinen Trommelwirbel – das Drama blieb aus. Das plötzliche Ende kam so beiläufig, dass ich es fast versäumt hätte: überrumpelt vom eigenen Verschwinden. Was von mir bleibt ist vielleicht nur dieser Schnupfen, der mich lustvoll auslöscht.

In der Nacht

In der Nacht kehrt die Angst zurück, wie eine Katze, die ums Haus schleicht: heimlich und unerwünscht. Ein Besucher, den man widerwillig zur Tür hinein bittet, weil man ihn flüchtig zu kennen glaubt. Es ist immer so. Tag für Tag drehen wir uns im Kreis. Nacht für Nacht. Die Angst vor den Sternen, die auf unserem Dach strandeten. Die Angst vor dem richtigen Wort zur richtigen Zeit. Die Angst vor der Dunkelheit in den Augen, die uns ansehen, wenn wir allein sind.

Wenige Schritte

Wenige Schritte vom Ende der Welt entfernt, blicke ich in diesen Abgrund der Geschichte, furchtlos, skeptisch, noch immer nicht restlos überzeugt. Irgendwo, sag ich mir, muss diese Welt enden. Nun, da ich an der letzten Grenze stehe, erscheint es mir undenkbar. Was geschieht, wenn ich zu weit gehe? Wird eine unsichtbare Hand mich retten? Oder gibt sie mir den entscheidenden Stoß? Ich sehe hinüber zur anderen Seite – aber es gibt sie gar nicht: die andere Seite, es gibt kein dort drüben. Wie nur könnte ich überhaupt zu weit gehen? Ist es nicht vielmehr, als liefe ich gegen eine Wand? Ich sehe in diesen Abgrund, der wie ein erblindeter Spiegel ist: ich selbst ein Fremder in einer schwindenden Wirklichkeit.

Meine Rückkehr von den Sternen

Meine Rückkehr von den Sternen in eine Welt, die mir fremd geworden ist, seit ich sie verließ. Es kommt mir vor, als wäre ich nur wenige Tage fort gewesen, in Wahrheit ist es ein ganzes Menschenleben. Nichts ist mehr, wie es war, nichts, wie ich es kannte, selbst die Sonne glüht nun in einer anderen Farbe oder vielmehr: in einer anderen Tonart. Menschen sehen mich an wie ein Relikt aus längst verblassten Träumen, sehen durch mich hindurch wie durch eine Erinnerung, die ihnen im nächsten Moment entgleitet. Wir sprechen keine gemeinsame Sprache mehr, mein Flüstern wird in euren Ohren zu Geschrei, mein Rufen verhallt ungehört – fast wie im luftleeren Raum. Vielleicht bin ich gestorben, irgendwann, auf meiner Reise durch die Dunkelheit. Meine Rückkehr: bloß der letzte Gedanke einer Leiche im Exil.

Schweigen im Walde

Schweigen im Walde, die wilde Horde ist ausgeflogen, um dir mein Unglück zu verkünden. Wie ausgestorben das Dickicht, während in verschwommener Ferne schwarze Flecken sich zu himmlischen Zeichen auftürmen. Auf dem Holzweg der späte Wanderer, welcher dem schönen Schein des Pfades traute, selbst das Plätschern eines Baches verstummt wie auf Kommando, das spärliche Sonnenlicht erlischt. Vollkommene Schwärze umfängt meine Gedanken, Worte kleben an meiner Zunge, mein Kopf ist ein Sumpf, der bloß noch die Knochen seiner Opfer ausspuckt – ewig unersättlich. Wo bist du in dieser Ausweglosigkeit? Wird die Stille dieser Nacht dich erweichen? Selbst wenn ich einen Weg fände, nichts könnte mich dahin bringen, dir nah zu sein. Dieser Wald ist ein Sarg aus Beton und Stahl.

Unter Wasser

Unter Wasser leben wie ein Fisch oder vielleicht doch wie ein Fisch unter Wasser leben – ist es nicht ein bedeutender Unterschied? Und dennoch bedeutungslos, während ich ertrinke. Keine Rede mehr von Leben in diesem Augenblick, da mir der Gedanke durch den Kopf geht. Ich ertrinke und sitze in Wirklichkeit auf dem Trockenen. Die Lüge ist meine einzige Chance: zu begreifen, was mich nichts angeht. Geht es mich denn nichts an? Betrifft es mich nicht im geringsten? Macht es mich nicht wenigstens betroffen? Lügen sind die Hoffnung derer, die mit dem Leben davonkommen. Ich denke mir nichts dabei, breite meine Flügel aus, als wäre nichts gewesen, steige selig lächelnd auf in die Untiefen meiner Sterblichkeit.

Irgendwo brennt es

Irgendwo brennt es, fern von hier – zu fern, um wahr zu sein. Irgendwo, das ist am anderen Ende der Welt, dort, wo ich nicht bin, sonstwo – wo sonst? Rauch steigt auf, den ich nicht sehe, der mir dennoch Tränen in die Augen treibt. Wärmt es nicht sogar ein wenig, dieses stumme Feuer, taucht es nicht unser Leben in rot glühenden Schimmer? Diese Flamme, versprüht sie nicht Funken der Begeisterung, die bald schon als neugeborene Sterne über uns aufleuchten? Doch der Zauber scheint verflogen. Niemand glaubt mehr an die reinigende Kraft des Feuers. Es brennt. Wir werden sterben, am anderen Ende der Welt, irgendwo, das ist dort, wo wir im Leben nicht sein werden.

Gute Nachrichten

Gute Nachrichten sind Mangelware in einer Zeit der Katastrophen. Hoffnung ein Fremdwort. Haltlos klammern wir uns an Strohhalme, um dem Elend zu entgehen – für ein paar Sekunden vielleicht. Schalte den Fernseher ein, schließe deine Augen. Längst schon gibt es nichts mehr zu sehen. Was du wissen musst, steckt in deinem Körper. Schlag die Zeitung auf: leere Seiten, die deinen Schmerz nicht lindern können. Irgendwann wird auch das Geschichte sein, verschüttet unter Belanglosigkeiten, unauffindbar im Gedächtnis der Menschheit.