Kein Mitleid

Kein Mitleid mit dem Fremden im Spiegel. Blass und ausgezehrt das Gesicht, der Blick trüb ins Nichts gerichtet oder in ein inneres Exil. Seine Hände zittern, das Fieber steigt – bedauernswerter Sterblicher, von den Göttern verlassen. Was ist dir geblieben? Schweiß auf deiner Stirn, Tränen in deinen Augen. So groß bist du einst gewesen, dass dir die Welt zu eng wurde. Nun gehst du gebückt, du kriechst auf allen vieren. Kein Mitleid. Bloß noch der Schmerz.

Auf Augenhöhe

Auf Augenhöhe mit den Qualen der anderen. Und doch sieht man nicht hin. Man erträgt den Anblick nicht. Es ist, als erblickten wir im fremden Leiden den eigenen Tod. Das macht uns zu Mitleidenden, die sich abwenden. Im Grunde macht es uns zu Sterbenden. Wir sehen im Schmerz, den wir nicht einmal selbst spüren, einen Vorboten unseres Todes. Mag sein. dass wir bereits gestorben sind, bevor das Leiden in unsere Welt einbrach.

Fast unbemerkt

Fast unbemerkt der Untergang eines Sterns an diesem Abend, keine Kameras am Sterbebett, kein voreiliger Nachruf in den Notizbüchern der Allwissenden. Heimlich und still, ein Abschied ohne Schmerz und Tränen. Ein letzter Wunsch, den niemand hört, ein letztes Versprechen, unerfüllt wie all die anderen – dennoch ist nicht der richtige Augenblick, über Verfehlungen nachzudenken. Ein Abschied ohne Bedauern, kein Grund zur Aufregung, in wenigen Minuten ist alles vorbei: die halbe Ewigkeit ausgelöscht wie eine schummrige Funzel. Kein Mitleid. Nur die toten Augen der Nacht.