Mit letzter Kraft

Mit letzter Kraft ans rettende Ufer der Sprache oder vielmehr in die Finsternis der Hoffnung. Meine Worte sind wie eine Reißleine ohne Fallschirm – nutzlos und ohne Sinn auf meinem Sturz vom Sofa. Ich rede, weil ich den Mund nicht halten kann, ohne von der Wirklichkeit verschluckt zu werden. Wenn ich spreche, bringe ich die Dinge zum Stolpern, hebe die Welt aus den Angeln. Ich schlage dem Tod ein Schnippchen. Und doch ist, was ich mitzuteilen habe, nichts als die Angst vor den Lebenden. Die Angst vor der Schöpfung in einem winzigen Augenblick des Schweigens.

Tote sehen

Tote sehen, mit ihnen reden, ihnen zuhören, sie an die Hand nehmen, ein Stück begleiten – auf dem Weg ins Dunkel. Die Welt ist voll von Unvollendetem. Kaum eine Geschichte, die bis zum Schluss erzählt wird, kaum ein Satz, den wir zu Ende sprechen, kein einziges Leben, das sein Ziel erreicht, das dort ankommt, wo alles einen Sinn ergibt. Menschenleer die Wirklichkeit, bevölkert von Geistern, die nach einem Ausweg suchen, nach einer Möglichkeit, ihre letzten Erinnerungen abzustreifen – wie ein zu eng gewordenes Kleid.

Fast schon vergessen

Fast schon vergessen, was gestern gewesen ist, verblasst, was vor wenigen Stunden unendlich bedeutsam schien, verloren, was ich eben noch für mein Leben hielt. Dennoch vermisse ich nichts. In diesem Augenblick erscheint mir, was ist, komplett. Die kleine Fliege an der Wand, der Staub auf der Fensterscheibe, das Gelächter auf der Straße, sogar die Regenwolke in der Ferne. Als ob alles einen Sinn ergäbe – ohne mich.

Kalt erwischt

Kalt erwischt durch die wärmende Umarmung eines einzigen Sonnenstrahls. In der Hitze des Tages das Frösteln meines Blutes, das verschwiegene Zittern meiner Worte – urplötzlich ausgelöscht: aller Sinn, alles Bedeuten, so als bliebe von der Wirklichkeit nur eine Handvoll Staub. Ohne einen nennenswerten Grund. Mein Sturz aus heiterem Himmel ins Bodenlose. Keine Wolke, die mich auffängt, keine Hand, die nach mir greift, unsichtbar und unerbittlich. Keine Schwinge, die mich davonträgt. Alles bleibt, wie es ist. Gleichgültigkeit der Sterne. Eisige Stille des Weltraums, die meinen Herzschlag verschluckt.

Fluch oder Segen

Fluch oder Segen – oder vielleicht keines von beiden, bloß die belanglose Gleichgültigkeit tagein und tagaus, das leere Gerede von Sinn und Bedeutung, derselbe Horizont, wohin man auch schaut, der stets gleiche Klang deiner Schritte, wohin du auch gehst, wie weit der Weg auch sein mag, wie nah oder fern dein Ziel. Kein Himmel, der dich verstößt, kein Meer, das dich verschlingt. Blumen auf deinem Grab wie offene Wunden, aber kein Herz, das für dich verblutet.