Ein neues Leben

Ein neues Leben, gestrickt aus einer Handvoll loser Fäden, die Vergangenheit und Zukunft miteinander verbinden. Mit einem Lächeln versehen, von einem Ohr zum anderen, und einem Namen, der rückwärts buchstabiert eine unaussprechliche Zahl ergibt. Ängste und Sorge, die das Herz in die Mangel nehmen, um zu dem stolpernden Puls des Blutes eng umschlungen Walzer zu tanzen. Wünsche, die sich im Kreis drehen, weichgespülte Hoffnungen, Träume ohne Bild und Ton. Ein Mund, der alle Sprachen dieser Welt verschlingt. Augen aus erloschenen Sternen. Der Atem ein Sturm im Wasserglas.

Sonnenschein

Sonnenschein in einer dunklen Ecke des Winters, der letzte wärmende Augenblick in der kalten Abstellkammer der Welt. Hoffnung oder Abschied von der Hoffnung? Wenn ich gehe – was bleibt zurück? Wenn ich bleibe – wo werde ich sein? Ich folge dem Licht, das schwindet. Seit einer Ewigkeit auf der Flucht vor der Zeit. Seit jeher ohne Zukunft – auf Eis gelegt: das uneingelöste Versprechen des Lebens.

Stillstand

Stillstand, nichts rührt sich, die Welt wie erstarrt unter der Last meines Schweigens, fast friedlich oder doch nur die Ruhe vor dem Sturm, ich weiß es nicht. Mein Herzschlag verklingt in der Sinnlosigkeit des Augenblicks. Als ob nichts mehr zu erwarten wäre: das Leben auf dem Nullpunkt. Selbst die Zeit steckt fest. Die Zukunft bleibt aus – und das ist erst der Anfang.

Rettung

Rettung in letzter Sekunde, das bedeutet: dem Leben ein Schnippchen schlagen. Diese Welt, dem Untergang geweiht, verlassen, bevor es zu spät ist – nur damit alles von vorne beginnt. Wir sind wie Kinder im Augenblick des Abschieds, ahnungslos und zielstrebig. Wir geben uns den fremden Stimmen hin, schenken ihnen Glauben. Wir vertrauen der Zukunft, die uns entwurzelt. Wir folgen dem Ruf, der uns für immer von hier entführt.

Erinnerung

Erinnerung an ein Leben, das ich gar nicht gelebt habe. Das Leben eines Fremden oder bloß ein Traum, der sich in meinem Kopf eingenistet hat wie ein unentbehrlicher Baustein meiner Existenz. Welche Rolle spiele ich in dieser Geschichte? Bin ich derjenige, der irgendwann erwacht und vergisst? Oder verliere ich mich in den Untiefen einer Lüge? Was wird aus mir, wenn es den Menschen, der ich in meiner Erinnerung bin, niemals gegeben hat? Ein Leben ohne Herkunft, ohne Zukunft.

Morgen

Morgen werde ich die Welt zerstören, vielleicht mit einem Augenzwinkern, vielleicht mit einem einzigen Wort, wer weiß, ein Atemzug genügt, um die Zukunft in den Abgrund der Zeit stürzen zu lassen. Ein Mensch allein, völlig unbewaffnet, der das Ende heraufbeschwört, die endlose Nacht der Menschheit. Ein einziger Gedanke, der den Untergang einläutet, das vollkommene Verstummen der Geschichte.

Die Straße

Die Straße spuckt mich aus, den unscheinbaren Wanderer, dessen Fuß nicht einen einzigen Stein berührt. Alles ist in der Schwebe – selbst mein Straucheln. Kein Weg zu weit, und doch kein Ziel, das ich erreichen könnte. In deinen Augen bin ich nichts weiter als ein Schlafwandler, der in die Zukunft sieht, um Schlimmeres zu verhindern. Ein Irrender, unwissend und erleuchtet. Im richtigen Moment am falschen Ort. Unschuldig vielleicht, im Voraus schon zum Tode verurteilt.

Zwei Minuten

Zwei Minuten, nicht mehr, bevor ein neues Leben beginnt. Vielleicht merkst du es nicht einmal. Dein altes Leben geht weiter wie bisher, nichts ändert sich, wirklich gar nichts. Oder die Veränderung ist so unscheinbar, dass du nicht begreifst, was los ist. Niemals wirst du erfahren, was geschehen ist, und um ehrlich zu sein: es interessiert dich auch nicht. Manchmal gibt es Überschneidungen, kurze Momente, lichte Augenblicke, in denen du dich wissend wähnst. Es gibt Ahnungen, sogar Visionen, die dich zu einem Auserwählten machen. Erinnerungen, die dir fremd sind, Worte, die dir nicht über die Lippen gehen, Blicke, die dich töten.

Auf den Schwingen eines Schreis

Auf den Schwingen eines Schreis: meine Ungeduld. Voller Tatendrang stürze ich mich ins Mauseloch der Zukunft, umweht von den Gerüchen meiner imaginären Kindheit. Nichts weiter als eine hohle Gebärde. Dieser Schrei nichts weiter als ein Räuspern. Verschworen sind wir, du und ich, gemeinsam auf Abwegen, von denen wir nichts ahnen. Wir zerbrechen uns nicht den Kopf, klammern uns nicht an die lichten Augenblicke unseres Bewusstseins. Nein. Wir atmen mit den Füßen, stolpern, wo wir uns unserer Sache sicher sind. Unser Denken ist wie ein Schluckauf. Wo wir hinspucken, wächst kein Gedanke mehr. Welche Verschwendung.