Unberührbar, was ich morgen tun werde, was ich denke, was ich will, und doch wirklich genug, um meinen Namen zu tragen. Ohne Bedeutung vielleicht und unbestimmt, zugleich so sicher wie die Wolken am Himmel oder der Wind in den Gräsern. Oder eben doch beliebig. Was weiß ich schon von mir selbst? Von meinem Handeln? Von all dem, was in mir verborgen bleibt, niemals das Licht der Welt erblickt? Blind bin ich, Fremder in einem unentdeckten Land. An guten Tagen bin ich nirgends zu Hause. Immer schon fort, ein Schatten auf der Durchreise.
Kategorie: Nachrichten aus dem Niemandsland
(2011)
Unterwegs
Unterwegs durch nicht enden wollende Nacht, allein auf einer hell erleuchteten Straße, die mich durch versteinerte Schwärze führt. Dumpfe Langeweile in Gedanken an einen unbemerkt verstrichenen Tag. Keine Zeit mehr, die mich in der Welt hielte, kein Himmel, der mich zu Boden drückt, kein Mensch, dem ich ausweiche. Nur die spitzen Schritte eines Schattens. Dem Vergessen auf der Spur. Zerrissen die papierne Stille meines Herzschlags.
Eine falsche Bewegung
Eine falsche Bewegung, und alles wird enden. Die Erde wird sich nicht mehr drehen, die Sonne wird den Himmel meiden. Kein Bus, der mich nach Hause bringt, mitten in der Nacht. Ich stehe auf einer Brücke, irgendwo in einer fremden Stadt. Niemand, der mich kennt, der meinen Namen ruft, wenn er mich auf der anderen Straßenseite sieht, oder einfach nur mit dem Kopf nickt. Kein Fenster, das für mich leuchtet, in menschenleerer Dunkelheit. Der nächste Atemzug könnte ein Fehler sein. Der nächste Schritt. Was ich auch tue – es wird diese Welt vernichten. Schlimmer noch: es wird alles auslöschen, was ich von dieser Welt zu wissen glaube. Eine Glaubensfrage also. Was bleibt, wenn nichts mehr übrig ist? Trauer, Schmerz, Schuld? Und was, wenn nichts sich ändert? Gar nichts?
Ein Licht
Ein Licht am Ende des Tunnels, ein heller Punkt, der deinen Gedanken folgt oder deinen Fingern. Eine Welle, die dich fortspült, versunken in Liebe und Heimweh. Alles ist in Bewegung, eingetaucht in Vergänglichkeit. Alles fließt. Weder Anfang noch Ende. Woran eigentlich erkennt man die Rettung? Niemand wartet, nichts bleibt. Ein Kind geht vorüber. Musik, sterbende Stille.
Der fallende Mensch
Der fallende Mensch – im Sinkflug auf den Gipfel, zur freien Entscheidung gezwungen. Fast noch schlafend. Vom Schicksal überwältigt, gerade in dem Moment, als alle Auswege sich verschließen. Gefangen im Möglichen, unfähig, die eigene Größe zu leugnen, selbst wenn die Welt bloß noch ein winziger Punkt in trüber Ferne ist, verschwommen und unkenntlich, unendlich vertraut, tödlich.
Ein Anfang
Ein Anfang, irgendwo in der Mitte des Weges. Eine geöffnete Tür auf halber Strecke – ins Unbekannte. Zähle nicht die Schritte, die aus dem Dunkel herausführen, nicht die Steine, die unter deinen Schritten zu schwarzem Staub zerfallen. An diesem Punkt beginnt dein Leben erneut, vielleicht gerade in dem Augenblick, da du dich umschaust, zurückblickst. Woran denkst du, während du strauchelst? Ohne Netz und doppelten Boden.
Von heute auf morgen
Von heute auf morgen hörst du nicht mehr, was ich zu sagen habe. Vielleicht ging meine Stimme verloren oder die Bestimmtheit meiner Worte. Habe ich das Sprechen verlernt oder das Öffnen meines Mundes? Ohne die gemeinsame Sprache ist der Himmel ein anderer. Die Wolken ziehen richtungslos durch mein Gemüt, unförmig schwimmt die Sonne in einer schwarzen Pfütze aus Stille und Vergessen. Siehst du mich denn noch? Kannst du mir sagen, wo ich bin? Und wo in aller Welt bist du?
Wie immer
Wie immer, so könnte es weitergehen bis ans Ende einer Zeit, die nichts bedeutet, weil nichts sich ändert. Wie immer – warum nicht? Mag sein, dass alle zufrieden sind, dass alle sich ausruhen auf den Lorbeeren des ewig Gleichen, dass niemand auch nur auf die Idee kommt, es könnte anders sein. Und wenn doch? Alles würde zerstört werden, nicht wahr, alles würde in sich zusammenfallen, so als wäre das bisher gelebte Leben nur ein Traum, nichts weiter als ein Hirngespinst. Genau das ist es: ein Hirngespinst. Die Vorstellung, dass etwas sich ändern wird.
Rauschen
Rauschen auf dem Weg zur Musik, bestimmt für die Ohren der Schlafenden, der Träumenden am Rande der Zeit. Ein paar Takte nur, die dich entführen, während du dich selbst vergisst. Klänge wie Regentropfen auf der Haut der Stille. So schlicht und bescheiden wie ein Weltuntergang. Ruhe sanft, der du verloren bist – im Schatten deines eigenen Atems.
Eine Stimme
Eine Stimme, nicht menschlich, und doch berührt sie mich wie keine andere. Ihr Gesang ohne Worte sagt mehr als alle Münder dieser Welt. Ich verstehe nichts, weiß alles – oder umgekehrt. Ich lausche dem Verschwinden der Menschheit auf ihrem Höhepunkt, blicke den Vögeln hinterher, die sich in meinen Gedanken tummeln. Ich bin wie die Spinne, die in einer Pfütze ertrank. Stimme einer Frau ohne Körper. Oder nur der Traum einer Maschine. Das Flüstern der Schaltkreise in einem Augenblick der Wahrheit. Ich höre dir zu, als wäre ich längst gestorben. Fern von hier. Sprachlos.