Ozean meiner Gedanken, still und unbewegt im einen Moment, aufgewühlt und wild im anderen. Mein Denken verborgen in unendlicher Tiefe, nur ab und zu ein Fragment, das als Strudel emporsteigt, als kleine Woge oder salziger Schaum – unbegreiflich wie eine Sprache im Gewirr sinnloser Laute. Nichts als Rauschen auf dem Grund einer Muschel: vertraut und unbekannt zugleich. Niemand hört zu, niemand sieht hin. Und doch ist es gegenwärtig. Unbewohnt dieses dunkle Meer, aber lebendig, bevölkert von den Möglichkeiten eines unvollendeten Lebens.
Kategorie: Nachrichten aus dem Niemandsland
(2011)
Der Mensch
Der Mensch braucht den Menschen, den Blick in den Spiegel, das vertraute Gesicht der eigenen Unzulänglichkeit. Wo wir an die Grenzen unserer Erkenntnis stoßen, beginnen wir, uns zu verändern. Das Fremde, das wir nicht begreifen, kratzt an unserer Menschlichkeit. Schuldige sind wir, wo wir uns von uns selbst abwenden. Unser Versuch, das Unbekannte zu verstehen, macht die Welt kleiner. Was wir anfassen, zerbricht. Was wir lieben, verurteilen wir zum Tode. Was immer wir suchen, ist uns ähnlich, wir kennen es bereits, bevor wir es finden. Und doch wissen wir nichts.
Bloß nicht nachlassen
Bloß nicht nachlassen, langsamer werden, aufgeben. Die geringste Unaufmerksamkeit wirft dich aus der Bahn. Deine Heldentaten werden nicht verrechnet. Deine Schwäche ist explosiv. Immer noch besser, du drehst dich im Kreis, als dass du anhältst. Du kannst rennen, springen, fliegen – aufhören kannst du nicht. Es gibt keine Notbremse und kein Sprungtuch. Die Richtung steht unwiderruflich fest. Du kannst den Weg nicht verlassen, ohne dich selbst aus den Augen zu verlieren. Du kannst nicht umkehren, ohne dein Ziel für immer zu zerstören. Weitermachen, sonst nichts.
Durch die Wüste
Durch die Wüste meiner Traurigkeit ans andere Ende der Welt. Auf Zehenspitzen, bis zum Hals im Sand. Die Glut der Sonne in meinem Kopf wie ein Lächeln des Todes. Sand in meinen Augen, in meinem Mund. Die unerbittliche Dürre meiner Worte, ungesagt, das Vergessen so trostlos wie der Geschmack der Wahrheit auf meiner trockenen Zunge. Der Himmel – ein Abgrund, der fortwährend meinen Namen ruft. Ich kenne mich selbst nicht mehr, verschollen im Niemandsland der Schwermut.
Auf der Stelle
Auf der Stelle treten, kraftlos und schön, einmal um die ganze Welt, ohne sich vom Fleck zu bewegen – wohin soll das führen? Die ungezählten Schritte ins Ausweglose. Die Blicke, heimlich und verstohlen, in eine unwirkliche Leere. Kein Horizont, der mich aufhält, keine Straße, die mich an sich kettet. Die einsame Wanderschaft eines Toten ohne Fortkommen. Ohne Wiederkehr.
Zerbrochen
Zerbrochen dieses Glück in meiner Hand, so klein und unscheinbar, dass ich es gar nicht bemerkt hatte. Fast wie ein winziger Splitter, der sich unter die Haut bohrt, unbemerkt, bis er völlig verschwindet, wer weiß wohin. Mit dem Verschwinden erwacht der Schmerz, dieses scheue Tier, das sich von falschen Erinnerungen ernährt. Dieser verlorene Schatten, der lautlos in einem Spiegel verblasst. Dieses Lächeln, das aus der Zukunft auf deine Unwissenheit herabblickt.
In den Augen der Maschine
In den Augen der Maschine bin ich nur ein kleines Rädchen, das funktioniert oder nicht, ein kleiner Hebel, der im Ablauf des Ganzen seine Aufgabe hat. Versage ich, blockiere ich das gesamte System, bis ich ersetzt werde. Wie jedes andere Teil bin ich austauschbar. Was zählt, ist die absolute Zuverlässigkeit, tagaus und tagein. Niemand fragt nach meinem Glück, das es außerhalb des großen Werkes nicht geben kann. Niemand kümmert sich um mein Wohlbefinden, solange ich das Zusammenspiel nicht gefährde. Ich tue, wozu ich bestimmt bin. Ich frage weder nach einem Grund noch nach einem Zweck. Von einer Ursache will ich nichts wissen. Das Ziel liegt in mir, in der Gegenwärtigkeit, mit der ich den mir zugewiesenen Platz ausfülle. Ich habe nichts zu befürchten. Die Zeit vergeht im Flug, ohne mich zu berühren. Mein Leben ist eine Wolke, die den Tod in Watte packt.
Erinnerung
Erinnerung an ein Leben, das ich gar nicht gelebt habe. Das Leben eines Fremden oder bloß ein Traum, der sich in meinem Kopf eingenistet hat wie ein unentbehrlicher Baustein meiner Existenz. Welche Rolle spiele ich in dieser Geschichte? Bin ich derjenige, der irgendwann erwacht und vergisst? Oder verliere ich mich in den Untiefen einer Lüge? Was wird aus mir, wenn es den Menschen, der ich in meiner Erinnerung bin, niemals gegeben hat? Ein Leben ohne Herkunft, ohne Zukunft.
Über den Wolken
Über den Wolken – grenzenlos die Freiheit, sich zu verlieren. Der Mörder neben dir, so friedlich, blaue Augen, die dir den Himmel versprechen. Was zählt, ist der Boden unter den Füßen, Vertrauen in die Illusion, die dich vor dem Absturz bewahrt. Ganz leise bohrt sich die Angst in dein Herz, die unerträgliche Stille kurz vor dem Erwachen. Du erinnerst dich, du weißt, dass irgendetwas fehlt – für immer verschwunden.
Morgen
Morgen werde ich die Welt zerstören, vielleicht mit einem Augenzwinkern, vielleicht mit einem einzigen Wort, wer weiß, ein Atemzug genügt, um die Zukunft in den Abgrund der Zeit stürzen zu lassen. Ein Mensch allein, völlig unbewaffnet, der das Ende heraufbeschwört, die endlose Nacht der Menschheit. Ein einziger Gedanke, der den Untergang einläutet, das vollkommene Verstummen der Geschichte.