Die Welt beherrschen, ohne auch nur einen Finger dafür krumm zu machen. Der Traum vom Glück, während ich schlaflos im Bett liege. Ewiges Leben aus dem Geldautomaten. Geht es denn nicht um Frieden, darum, das Vergangene zu vergessen? Mit den Fingernägeln ritze ich meinen Namen in den Asphalt der Straße, bemale meinen Körper mit Zeichen, die mir nichts bedeuten – Worte einer Sprache, die ich nicht spreche. Ich trete auf meinen eigenen Schatten, ohne es zu bemerken. Worte wie Regentropfen an einem wolkenlosen Tag.
Kategorie: Nachrichten aus dem Niemandsland
(2011)
Blinder Gehorsam
Blinder Gehorsam auf dem Weg zu den Sternen – die Füße voran, die Hände zu Fäusten geballt, sorgfältig verborgen vor den neugierigen Blicken des lieben Gottes. Du tust, was man dir sagt, aber niemand sagt es dir. Niemand spricht zu dir, wie es scheint, oder du hörst nicht zu. Du bemerkst nichts von dem, was um dich her geschieht. Und natürlich geschieht nichts. Deine Mission besteht darin, Empfänger von Befehlen zu sein, die niemals gegeben werden. Würdest du den feinen Unterschied erkennen? Würdest du wissen, was zu tun ist, wenn der Gedanke plötzlich an die Oberfläche steigt? Dieser eine Gedanke, der dich tötet, nur weil er dir fremd ist? Von den Sternen ist nichts zu sehen. Du kannst nicht einmal sicher sein, ob es sie wirklich gibt. Bist du denn schon unterwegs? Seit wann? Falls du jemals ankommst – wer wird dich erwarten?
Du bist nicht allein
Du bist nicht allein im Augenblick des Abschieds. Auf deiner Schulter die unsichtbare Hand des Vergangenen, lächelnd hinter deinem Rücken der unbekannte Freund, in deinem Herzen das schleichende Gift unerfüllter Liebe. Abschied wovon? In dieser allgegenwärtigen Welt. Wohin du auch gehst, du nimmst deinen Schatten mit dir. In jedem Spiegel hinterlässt du eine Spur. Einzig unerreichbar: das Nirgendwo. Wovor du auch fliehst – du entkommst nicht deinen Träumen.
Stunde der Wahrheit
Stunde der Wahrheit auf dem Weg zum Gipfel, strauchelnd dem Absturz näher als der ersehnten Himmelfahrt. Gewissheit des Scheiterns – mit jedem Schritt ein wenig größer. Zweifelnd der Sonne des Nichtwissens entgegen, taumelnd vor Glück, berauscht von der Lüge – aber was ist Wahrheit, wenn nicht der Staub auf all den ungelesenen Büchern, das Geräusch einer Kirschblüte unter meinen Schuhen, das zitternde Wasser einer Pfütze am Straßenrand? Die Schmerzen sind vergessen angesichts der Qualen, die uns drohen, angesichts der Leiden, die wir uns ausmalen, ohne zu wissen, ohne zu ahnen. Angesichts der kleinen Annehmlichkeiten, die uns an die ewige Verdammnis verkaufen.
Die letzten Abenteuer
Die letzten Abenteuer einer Welt, die so klein ist, dass man sich selbst auf die Füße tritt. Vielleicht ein Strohfeuer mit dem Gartenschlauch in der Hand. Ein Blick hinauf zum Himmel voller Sternschnuppen oder einfach nur zu tief ins Glas, randvoll mit dem Wasser des Lebens. Das moralische Gesetz in Blindenschrift auf deinen Lippen oder die Todesstrafe unter deinen Fingernägeln. Früh morgens der Spaziergang an der Leine – ohne Wiederkehr. Das Lachen mit verbundenen Augen und gesenktem Kopf. Der tastende Gang die Treppe hinab – in völliger Dunkelheit und mit angehaltenem Atem. Das Zählen der Sekunden, bevor die undurchdringliche Stille des Schlafs mich ausschaltet.
Im Gleichgewicht
Im Gleichgewicht oder bloß in der Schwebe? Perfekt ausbalanciert im freien Fall aus unendlicher Höhe in unendliche Tiefe. Schwerelos im Niemandsland meiner eigenen Abwesenheit. Das ist nicht die innere Ruhe, es ist ein Kampf ums Überleben. Ein Augenblick der Schwäche stürzt dich in den Abgrund, von dem du zuvor nicht einmal wusstest, dass es ihn gibt. Die geringste Unaufmerksamkeit lässt dich straucheln. Schweigend der Zerbrechlichkeit ins Auge sehen. Ein Wimpernschlag, der die Welt zerteilt.
Frohe Botschaft
Frohe Botschaft aus den Untiefen des Herzens: dieses Leben ist noch nicht am Ende. In manche Winkel meiner schmucklosen Behausung verirrt sich das Sonnenlicht wie der Gesang eines Vogels: tröstlich in seinem unverhofften Glanz, den mir die Schwingen der Vergänglichkeit zutragen. An solchen Tagen öffnen sich die Augen wie Blumen, verschlafene Boten des Frühlings an den Steilhängen der Zeit. An solchen Tagen schließen sich Kreise, Märchen werden wahr: endlose Geschichten der Freude und des Friedens. Noch schlägt dieses Herz – wie ein Hund mit dem Schwanz wedelt.
Ans andere Ufer
Ans andere Ufer, mitten in der Nacht, der Finsternis entgegen. Wortkarg der Fährmann, einem düsteren Traum entstiegen, ganz ohne Gesicht im spärlichen Schein einer flackernden Funzel. Das kalte Wasser umschmeichelt die Dürre meiner Gedanken – was nur will ich dort, auf der anderen Seite? Jetzt. Um diese Zeit. Von einem Schatten lasse ich mich ins Ungewisse führen, dorthin, wo ich mich verliere.
Der geschenkte Tod
Der geschenkte Tod in einer Plastiktüte – wie gerade eben frisch eingekauft im Supermarkt um die Ecke. Nein, es ist nicht einfach diese schicksalhafte Erkrankung, die uns Nacht für Nacht den Schlaf raubt, dieser unabwendbare Unfall, der aus dem prallen Leben ein Häufchen Elend macht, nein, es ist nicht bloß diese zum Himmel schreiende Tragödie mit einem Ahnungslosen in der Hauptrolle. Es ist das Unbegreifliche, das uns in die Hand gedrückt wird wie ein Zollstock, mit dem wir unser Leben vermessen. Dieses Unscheinbare, das wir in der Ecke abstellen, um es für immer zu vergessen. Dieses Unnötige, das wir uns wie ein Schmuckstück um den Hals legen, bevor wir uns zum Sprung entschließen.
Hinter Glas
Hinter Glas die Fremden, die mich mit dem Rücken ansehen, die von mir nichts wissen, nichts ahnen, während ich ihre Schritte zähle oder die Finger an ihren Händen. Ich bin nur zu Besuch, unsichtbar, und doch in ihrer Mitte, ganz selbstverständlich lebe ich mit ihnen, unerkannt, wie unter einer Tarnkappe, anwesend, gegenwärtig – einer von ihnen, solange ich mich nicht zu erkennen gebe. Ihr Blick durchbohrt mich, ihre Hände greifen ins Leere. Da ist nichts, was uns verbindet. Ich atme eine andere Luft, bewege mich in einer anderen Zeit, ich versinke in anderen Schlaf. In meinen Träumen gebe ich mir einen Namen.