Nicht ein einziger Traum

Nicht ein einziger Traum in dieser Nacht, die niemals endet. Seit einer Ewigkeit der schwarze Schlaf in den Eingeweiden der Geschichte, das Treiben der Wolken hinter geschlossenen Augen, das verkniffene Lachen der Finsternis in meinem Mund. Ganz ohne Worte: die Nachrichten aus dem Niemandsland der Stille. Sprachlos der Himmel ohne das Geschrei der Vögel, der Meeresspiegel blind, kein Bild auf meiner Zunge. Sekunden wie Regentropfen in der Wüste. Über mir: die bestirnte Nacktheit des Unendlichen. In mir: die milde Hoffnungslosigkeit der Erlösung.

Was soll ich sagen

Was soll ich sagen, wenn es mir die Sprache verschlägt? Wenn mir nichts zu sagen bleibt, nichts mehr zu sagen ist? Wenn alles um mich her verstummt und das Schweigen zuletzt auch mich um den Finger wickelt. Wenn Müdigkeit mich ausfüllt wie das Rauschen eines endlosen Meeres, wie das schwarze Licht eines sterbenden Sterns. Aus dem Vollen schöpfen, um von der Leere zu sprechen. Das Unsagbare umstülpen. Das Unerhörte.

Schöne Aussicht

Schöne Aussicht: der Blick ins Innerste dieses Tages, der nichts von sich preisgibt außer ein paar blinkenden Lichtern, stummen Schatten und verschwommenen Gesichtern. Ich steige hinab in die Unterwelt der flüchtigen Eindrücke. Straßen, die unter dem Gewicht meiner Schritte zerreißen. Spiegel, die zu Gedanken werden – und zerbrechen. Das Raunen der Ferne, ein Seufzer der Zeit selbst. Nackt und schamlos, was ich sehe, so lebendig die Toten in ihren Kostümen, so heiter die Wirklichkeit in ihrem Grab.

Das weite Land

Das weite Land wie gemalt, ein Film, den ich sah, in meiner Kindheit vielleicht oder gestern erst, wer weiß. Und doch ist alles, was mich faszinierte, nur Kulisse. Der fahle Mond zum Greifen nah, die Sterne nur einen Katzensprung entfernt. Die Nacht ein leuchtender Mantel über einer wohltemperierten Wüste. Nichts rührt sich, nichts vergeht. Kein Entkommen aus dieser Szene. Gefangen in diesem Moment, der nichts ist als freundliche Lüge.

Frei atmen

Frei atmen, wie man das Licht atmet oder die Wärme. Gierig die Luft verschlingen mit all den unsichtbaren Welten, von denen wir nicht einmal eine Ahnung haben. All die Staubkörner des Lebens, die wir auf dem Gipfel unseres Fiebers erträumen. Die Weite des Himmels inhalieren, das Lachen Gottes auf der Haut unseres Schlafs. Geheimnisvolle Fremde. Auf den Spuren des Unendlichen, unterwegs in einer Reisschale, umspült von Klängen des Abschieds.

Hinter verschlossenen Türen

Hinter verschlossenen Türen: die Entscheidung über Licht und Schatten, insgeheim vor aller Augen, still und leise auf dem Marktplatz des Glaubens. Die Wahrheit in Großbuchstaben, und doch für die Wissenden nicht zu entziffern. Am Ende eines langen Tages stehen wir mit leeren Händen da – wie zum Gebet. Oder als Verlierer, denen nichts mehr heilig ist.

Am Ende

Am Ende erscheint alles so einfach, sagen wir: reduziert, wenn auch nicht unbedingt aufs Wesentliche, eben sehr schlicht, na ja – banal. Das ist kein Grund, den Kopf hängen zu lassen, schließlich stehen auch die Lachenden nackt da, die Begnadeten und die Auserwählten. Keiner ist im Vorteil, keine Menschenseele näher dem Himmel als andere. Dies ist kein Wettlauf, niemand empfängt uns am Ziel, es gibt nichts zu gewinnen. Keine Sieger, wenn alles vorbei ist. Umsonst alle Aufregung, alles Hoffen und Bangen. Alle Eile nur ein vergeblicher Fluchtversuch. Wir rühren uns nicht mehr von der Stelle, da wir alles schon erreicht haben und nichts mehr davon wissen.

Blick aus dem Fenster

Blick aus dem Fenster ins Nichts – als würde, was ich sehe, sogleich zerstört, aber so, dass ich es nicht einmal bemerke: beinahe zärtlich und nicht ohne eine gewisse Ironie. Aus der Erinnerung gelöscht, noch bevor ich es überhaupt wahrnehme. Die Welt dort draußen kommt gar nicht erst bei mir an – falls es sie gibt. Das fehlende Wissen darüber wiegt mich in Sicherheit. Geborgen in der Vernichtung.

Fast perfekt

Fast perfekt dieser eine Gedanke, der mich zu Fall bringt, der die Erde anhält, die Welt aus den Angeln hebt. Dieses eine Wort im Herzen meiner Sprachlosigkeit. Dieser Funke, der unsichtbar verglüht am hellichten Tag. Diese stille Stunde, nackt und schutzlos in meiner hohlen Hand wie eine Fliege, die darauf wartet, ein Stern zu werden.

Gestohlene Träume

Gestohlene Träume, die mir ein Leben vorgaukeln, das längst vergangen ist, verloren im labyrinthischen Flickwerk aus Erinnerung und Vergessen. Was ich weiß, ist immer nur die halbe Wahrheit, eine Andeutung dessen, was Sache ist. Ich erlebe die Wirklichkeit als Schauspiel, mittendrin und unbeteiligt. Wenn ich träume, ist es, als würde ich verbluten. Ich spüre keinen Schmerz, kein Entsetzen. Ich laufe durch eine verbrannte Stadt, zähle die Toten – armseliger Beweis meiner Existenz.