Die Welt retten, indem man nichts tut. So funktioniert es, nicht anders. Vom Bett aus dem Verbrechen auflauern, sich noch einmal umdrehen, bevor die Morgenluft den letzten Rest meiner Träume verscheucht. Aus dem Fenster sehen – wie eine Schaufensterpuppe, gelangweilt und verschlafen. Ich wage mich hinaus auf die Straße, stürze mich in die Anonymität, atme die Vergesslichkeit des Alltäglichen. Gleichmütig erwarte ich die Katastrophe, den Untergang – ungerührt. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen. Ich laufe nicht weg, ich schließe bloß meine Augen.
Kategorie: Nachrichten aus dem Niemandsland
(2011)
Worum geht es
Worum geht es, wenn ich von Glück spreche, von der Aussicht auf ein erfülltes Leben, von einer zufälligen Begegnung, die uns an den Rand des Wahnsinns treibt? Was geschieht, wenn die Welt stillzustehen scheint, wenn alles in sich zusammenfällt – aber unmerklich? Wenn es kein Entkommen gibt aus der Bedeutungslosigkeit, die uns in Sicherheit wiegt? Was steckt dahinter, wenn nichts mehr verborgen ist? Wie können wir schweigen, wenn alles gesagt ist?
Das Böse
Das Böse unter falschem Namen und mit aufgesetztem Lächeln, bunt geschminkt und liebreizend gekleidet – die Freundlichkeit in Person, unnahbar und verlockend zugleich. Eine verschwommene Erinnerung, die sich in unseren Tagträumen einnistet, zu unbedeutend, um erlogen zu sein, zu wirklich, um unbemerkt zu bleiben. Mächte der Finsternis, die höflich an meine Tür klopfen, um mich zu zerreißen, sobald ich ihnen öffne.
Ein einziges Wort
Ein einziges Wort würde genügen – ob als leiser Trost oder Erlösung. Ein einziges, unbedeutendes Wort, das nichts sagt, das zu schwach ist, um einen Stein zu erweichen. Und doch rettet es die Welt. Es könnte ungehört verhallen, verklingen im Staub all der seit Menschengedenken vergeudeten Zeit. Es könnte noch auf den Lippen dieses Augenblicks ersterben. Es könnte im Geschrei der Sterne ertrinken. Dieses eine, einzige Wort wäre zweifellos die Wahrheit. Eine zweite Chance wird es nicht geben.
Schnee
Schnee in meiner Hand – für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er schmilzt. Die Zeit selbst überflüssig wie eine Wolke unter meiner Haut. Dieser Ort so nah dem Vergehen. Licht wird zur Farbe. Schmerz zur Musik. Schlaf zur Unzeit. Diese Welt: aus Wasser gebaut – wie meine Worte, die unbemerkt im Sand verlaufen. Die Wüste breitet sich aus, wenn ich den Mund öffne. Wehe dem, der sich zu sprechen traut. Dieser Augenblick aus leicht entflammbarer Stille.
Die Wunde bleibt
Die Wunde bleibt, selbst wenn wir längst verschwunden sind. Die Freundschaft ist eine unendliche Geschichte der Kränkungen. Wir sind uns am nächsten, wo wir uns verletzen. Vielleicht ist, was wir Liebe nennen, nur Verachtung. Sterbend erst verstehen wir uns, wir wissen vom anderen im Augenblick des Abschieds. Jeder Kuss, jeder Blick – eine Ahnung des Todes. Es ist der Schmerz, der uns öffnet, das Wissen um unsere Vergänglichkeit. Nur ein winziger Augenblick der Erkenntnis, ein kurzes Aufflackern unserer Menschlichkeit, dort, wo wir uns verlieren, unberührbar und fremd.
Wohin wir gehen
Wohin wir gehen, wenn wir uns nicht mehr von der Stelle rühren, wenn wir bleiben, wo wir sind, wenn nichts mehr bleibt als dieser Ort, der uns verschwinden lässt. Diese Stille, die uns auffrisst, ohne satt zu werden. Dieses Licht, das uns in den Schatten stellt. Wohin, wenn nichts mehr geht? Was uns bewegt, wenn wir nichts mehr bewegen. Was uns rührt. Was uns berührt. Wenn wir nicht mehr dort sind, wo ich war, sein sollte. Wenn wir fort sind. Hier und jetzt.
Sprich diese Sprache
Sprich diese Sprache, die niemand versteht. Sag, was du willst, erzähle es jedem, der es nicht hören will. Nicht jede Stimme findet die richtigen Ohren, dennoch, ein wenig kommt an, dringt durch Wände, bahnt sich einen Weg, fast ein Geräusch, das keiner bemerkt, ein Rauschen, tief im Innern eines Steins. Lege deinen Kopf auf dieses Grab: irgendwo darin schlummern deine letzten Worte.
Dunkle Energie
Dunkle Energie, die dich antreibt, was immer du tust, fremd und unbekannt wie dein Lächeln, unergründlich wie das Innerste deines nach außen gestülpten Herzens. Vergiss, was du zu wissen glaubst. Die Welt beginnt, wo das Wissen abdankt, der Glauben in seine Höhlen zurückkehrt. Ändere deinen Namen – nur so wird man dich finden, wenn du in endloser Nacht verschollen bist.
Nur ein Spiel
Nur ein Spiel: der Ernst des Lebens, unmöglich zu gewinnen – also spielen wir weiter, bis irgendwann nichts mehr geht. Worte wie rollende Würfel. Dein Blick eine Münze, die der Wind wirft. Dein Lachen ein Ball, der über dem Horizont verschwindet. Wir hinken der Zeit hinterher, Zugvögel ohne Geschichte, mit jedem Flügelschlag bereits auf dem Rückweg. Glücklos sind wir, Liebende ohne Spiegel – verloren in den Armen des anderen.