Atemnot inmitten völliger Frische. Ich schnappe nach Luft, ohne meine Lungen füllen zu können, der Sauerstoff lässt mich ersticken, macht mich krank, während ich doch bloß versuche, am Leben zu bleiben. Dabei droht mir keine Gefahr, denn in Wirklichkeit bin ich längst gestorben. Ich atme und bin doch zugleich ein anderer: jemand, der blau anläuft, jemand, dessen Blut vergiftet ist, jemand, der ohnmächtig darauf wartet, endlich wieder aufzuwachen.
Die Welt ist Müdigkeit
Die Welt ist Müdigkeit, zumindest an diesem Abend, der nicht enden will, die Welt ist Schlaf, traumlose Schwärze in deinen Augen, die sich öffnen und schließen wie verlassene Gräber um Mitternacht. Die Welt ist dieser angehaltene Atem, dein Lachen, während ich mich vor Schmerzen krümme, deine Nacktheit, sorglos unter freiem Himmel. Die Welt ist unendlich still in deinen Armen. Die Proteste verklingen auf der anderen Straßenseite. Diese Welt ist Frieden – die ganze Wucht des Lebens auf einer Briefmarke.
Sieben Leben
Sieben Leben, die du an einer Hand abzählen kannst, um daran zu sterben. Kopfüber tauchst du ins Eiswasser des Vergessens, du öffnest deine Augen in völliger Finsternis, ohne zu wissen, woher du kommst und wohin du gehst. Ein neuer Mensch auf dem Sprung in eine bessere Welt. Sieben Leben, von denen kein einziges genügt, weil du dir selbst fremd bist. Du gehst diesen Weg, unbeirrbar, mit schlafwandlerischer Sicherheit – doch es ist nicht dein Ziel, zu dem er dich führt. Es ist nicht dein Herz, mit dem du hausieren gehst. Nicht dein Gesicht im Spiegel, den zu zerschlägst.
In schwarzer Erde
In schwarzer Erde grabe ich nach dem Leben. Mit bloßen Händen wühle ich im Dreck, bohre mich tiefer und tiefer ins unterirdische Reich, unermüdlich wie ein Maulwurf oder wie ein Regenwurm. Ich weiß nicht, wer mich auf die Idee gebracht hat – die Geschichte mit dem Leben ist natürlich nur ein Vorwand. Ich bin überhaupt nicht auf der Suche, ich weiß, dass hier unten nichts zu finden ist. Und um ehrlich zu sein, ich kratze kaum an der Oberfläche dieser Welt. Die Tiefe stößt mich ab, sie spuckt mich aus wie einen unverdaulichen Bissen. Ich mache mir nicht einmal die Hände schmutzig.
Außer Atem
Außer Atem, obwohl ich mich nicht von der Stelle rühre. Fast schlafe ich und schnaufe dennoch wie ein Nashorn auf der Flucht. Dahin ist alle Leichtigkeit – was immer ich tue, wiegt so schwer, dass es mich beinahe erdrückt. Jeder meiner Atemzüge stemmt unsichtbare Gewichte, meine Brust hebt und senkt sich mühselig unter der Last imaginärer Felsen – mein ganzer Körper fühlt sich an wie ein zusammengeschnürter Heißluftballon. Gequält wohne ich dem Akt des Luftholens bei – dahin ist alle Gedankenlosigkeit, alle Selbstverständlichkeit bloßen Atmens.
Katzengleich
Katzengleich auf dem Boden ausgestreckt: mein eigener Schatten. Still liegt er da, wie schlafend, dennoch fühle ich mich beobachtet. Es ist, als hielte er mich an der Leine – mit seinem unsichtbaren Blick, mit seiner bloßen Anwesenheit, die nichts Menschliches verströmt. Er fesselt mich mit seinem Schweigen, das umso unerträglicher ist, als es doch mein eigenes zu sein scheint. Mitten im Raum macht er sich breit, damit ich nicht unbemerkt an ihm vorbei komme. Ohne sich zu rühren, macht er mich zu seinem Sklaven.
Zu schnell vorbei
Zu schnell vorbei dieser Moment, der wie ein ganzes Leben in mir verglüht. Diese Landschaft, die meinen Blick aus dem Fenster stürzen lässt. Diese Straße, die mich fortträgt ins Unbekannte – und an deren Ende ich doch wieder nur mir selbst begegne. Die Schönheit eines bunten Vogels, der durch meinen Kopf segelt wie ein Gedanke am Rande des Vergessens. Der kurze Schlaf in endloser Umnachtung eines lähmenden Fiebers. Das betörende Lächeln des Spiegels, während du dich von mir abwendest.
Falsches Blut
Falsches Blut in meinen Adern wie ein schleichendes Gift, das sich als Lebenselixier ausgibt. Feiger Verrat, der meinen Körper von innen auffrisst, anstatt die Löcher zu stopfen, all die ungezählten Wunden zu heilen. Nun spüre ich, wie eine Vorahnung des Todes sich in mir ausbreitet, unaufhaltsam, gnadenlos. Ich bin der lebende Beweis für meine Sterblichkeit – als hätte ich das nicht schon immer geahnt. Nun aber ist die Sache ernst, denn mit jedem Herzschlag meißelt sich die Erkenntnis tiefer in mein erzitterndes Fleisch: mein Körper ist diese Krankheit zum Tode.
Kein Mitleid
Kein Mitleid mit dem Fremden im Spiegel. Blass und ausgezehrt das Gesicht, der Blick trüb ins Nichts gerichtet oder in ein inneres Exil. Seine Hände zittern, das Fieber steigt – bedauernswerter Sterblicher, von den Göttern verlassen. Was ist dir geblieben? Schweiß auf deiner Stirn, Tränen in deinen Augen. So groß bist du einst gewesen, dass dir die Welt zu eng wurde. Nun gehst du gebückt, du kriechst auf allen vieren. Kein Mitleid. Bloß noch der Schmerz.
Am Wegesrand
Am Wegesrand all die verlorenen Freunde, all die Vergessenen, Toten, die mir lächelnd nachsehen – ganz ohne Nachsicht. Die mir die Pest an den Hals wünschen oder gleichgültig meinen Namen murmeln. Die sich wundern, warum ich nicht aufgebe, warum ich diesen Weg noch gehe – ohne ein Ziel vor Augen. Diesen Weg, der mich immer weiter von mir fortführt. Durch gespenstische Nacht wanke ich, setze einen Fuß vor den anderen, als müsste ich das Gehen neu erlernen. Ich wage nicht, mich umzudrehen, in dieses Nichts zu blicken, aus dem ich komme. Vor mir die schwarze Wand meiner Ängste und Hoffnungen – Aussichtslosigkeit meiner Flucht.