Meine Abwesenheit

Meine Abwesenheit. Ich berichte aus dem Inneren eines lautlosen Krieges, dessen tödlichste Waffe das Schweigen ist. Vielleicht bin ich dir nah, während all das vergeht, was eben noch Wirklichkeit war. Mit der Zuversicht eines Unsterblichen bin ich der Welt abhanden gekommen. Schlafende Schöne, niemand wird dich wecken, nicht die leiseste Ahnung kann einen Schatten auf deine Stirn werfen, kein Lächeln auf den Lippen, keine Rettung in Sicht. Ich wende mich ab, ungerührt, blutend, gleichgültig wie ein Seufzer des Windes am Straßenrand.

Aus den Sümpfen

Aus den Sümpfen erhebt sich die Stimme eines Brachvogels, während trübes Licht wie ein Schleier zu Boden sinkt, schwerelos, die Dämmerung der Götter zwischen Tür und Angel, wie ein aufgeschnappter Blick, der in uns zerbricht – ins Sterben hinein geboren, ohne vom Tod zu wissen. Lieder ohne Worte wie dieses verblasste Bild aus einer Vergangenheit, die seit jeher nicht zu uns spricht, nichts sagend, ein fliehendes Rätsel, verstohlener Kuss. Im Halbschlaf hierher verirrt, diese unmögliche Welt. Strauchelnde Schritte durchs hohe Gras, die grundlose Einsamkeit des Heimkehrers, dem Läuten der Glocken hörig – lauwarmes Blut, das vom Himmel tropft.

So friedlich die Sterne

So friedlich die Sterne an einem schwarzen Himmel aus Asche und Blut. Glühwürmchen der Hoffnung in unerreichbarer Ferne – eure Abwesenheit lässt uns träumen, während wir uns in den Irrgärten des Schlafs verlieren. Krieger sind wir, Ohnmächtige. Wir glauben an die Kraft der Zerstörung. Die Reinheit des Opfers. Wir vergießen unsere Freude auf den Schlachtfeldern der Langeweile. Erst im Streit sind wir uns näher. Dabei genügte ein Blick in den Spiegel, um zu vergessen. Erleuchtete sind wir, noch immer ahnungslos, aus Tränen gemacht.

Lebendig begraben

Lebendig begraben unter all den erfundenen Wahrheiten, zerfleischt von Hoffnungen, die sich nie erfüllten, Gedanken, die niemals den Weg ans Licht fanden. Bandagiert wie eine Mumie – mit Worten, die keinem Mund entspringen. Ich bin das Opfer meines eigenen Fluchs. Die Sonne meiner Traurigkeit verbrennt meine Tränen. Gestürzter Riese, ich verschwinde in den Schatten deiner Wimpern. Süße Schwere des Schlafs, die Welt meine Gruft.

Einer dieser Tage

Einer dieser Tage, von denen nichts bleibt als vielleicht ein Lächeln eines Passanten im Schaufenster, ein Tag ohne Widerhaken, ein Tag, der längst vorbei ist, aber niemals zu Ende geht. Nun poltert der Wind durch die Straßen wie ein Betrunkener, keine Menschenseele lässt sich mehr blicken, kein verwehter Papierfetzen. Mein Herzschlag auf dem absteigenden Ast, mein letzter Gedanke – eine offene Wunde, in die Gott seinen Finger gelegt hat, ohne mit der Wimper zu zucken. Einer dieser Tage, die gar nicht sein dürften, ohne Abschied, ohne Wiederkehr. Nicht auszuhalten, dieser Tag, der die Welt erschuf.

Ins Unbekannte

Ins Unbekannte meiner eigenen Träume versunken wie ein Ertrinkender, dem die Passanten fröhlich zuwinken, am hellichten Tag, inmitten des bunten Treibens, verloren in der Beschaulichkeit des aufkeimenden Frühlings. Geheimnisvolle Zeichen eines kreisenden Raubvogels, so undurchdringlich klar der Himmel, die Nacktheit der Liebenden, Tränen der Kindheit. Aus welcher Höhe bin ich gestürzt? Von welchem Stern? Die Sonne hüllt sich in Schweigen. Blumen am Straßenrand, mit gesenkten Köpfen murmeln sie ihre Gebete. Der Ruf eines Zickleins – ohne Antwort.

Ein letzter Atemzug

Ein letzter Atemzug, bevor dieser Tag sich aus dem Staub macht, ohne Glanz und Fanfaren, klammheimlich wie ein räudiger Hund. Ein letzter Blick, nach langem Regen, zum wolkenlosen Himmel. Zeit für einen Wink mit dem Zaunpfahl. Wie ich mich auch drehe und wende, der eisige Hauch bügelt mir die zerknirschte Denkerstirn glatt. Wie Fähnchen im Wind meine Worte aus versteinertem Mund während schweigend und würdevoll die Nacht aus ihrem Kokon kriecht.

Worauf wartest du noch

Worauf wartest du noch – ist nicht längst alles entschieden? Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, und du tust so, als wüsstest du von nichts. Die Dunkelheit wird dem Morgengrauen weichen, der beginnende Tag vollstreckt das gestrige Urteil. Die ganze Welt schaut und wartet, während du dir die Schuhe zubindest. Nur nichts überstürzen, meinst du, die Natur macht keine Sprünge, die Zeit rast – aber ohne Eile. Ist das eine Chance oder doch bloß eine Gelegenheit? Dein Name in aller Munde: verklungen wie der nächtliche Ruf eines schlafenden Schwans.

An guten Tagen

An guten Tagen springe ich über meinen eigenen Schatten. Ich durchtrenne die Nabelschnur des erinnerten Lebens, schnappe nach Luft wie eine Blume. Ich verlasse diese Welt lachend, unbemerkt. Die Erde dreht sich, als hätte es mich nie gegeben. Keine Reue oder Schuld. Ich laufe davon, weil mich nichts mehr hält. Keine Menschenseele. An guten Tagen bin ich ein Sonnenstrahl in den Tiefen des Meeres – wie aus einer anderen Zeit, haltlos und doch gefangen im Rauschen einer Muschel.

Unendliche Weiten

Unendliche Weiten der Angst, dieser Schwarm sterbender Vögel in meinem Blut, in meiner Einsamkeit. Was schon weiß ich von ewiger Verdammnis? Ein Sklave des Lichts und der Farben inmitten der Finsternis, ein Reisender bin ich, der sein Ziel niemals verließ. Nichts als Ferne, wohin ich auch blicke. Kein Wunder, dass ich mir selbst ein Fremder bleibe, wohin ich auch gehe. Ich gehe nicht, ich bin längst fort. Nichts hält mich. Ich falle, wo keine Tiefe ist, keine Höhe – zaghaft sogar noch im Sturz.