Leise Schritte durch den leeren Raum meiner Bewusstlosigkeit – nur keine schlafenden Hunde wecken, die Wächter des Glücks, nirgends anecken, keinen Staub aufwirbeln. Auf dünnem Eise mein Traum vom nahenden Frühling. Wenn ich erwache, ist die Welt erstarrt. Mein Atem erstickt die Flammen der Morgendämmerung, mein Blick zermalmt die zaghaft knospende Stimme der Zuversicht. Schatten auf meinen Lippen, Worte, die zu Asche wurden im Moment ihrer Geburt. Ein lauer Wind murmelt meinen Namen – ein lächelndes Kind, das gedankenlos den Tag verflucht.
Als du nicht da warst
Als du nicht da warst, fiel es mir leicht, dich zu verstehen. Als wir nichts voneinander wussten, kannte ich dich. Als du schwiegst, las ich in deinen Gedanken. Nun ist alles anders, im Grunde weiß ich nichts. Die Sterne verhüllt, nichts rührt sich, vergessen ist, was niemals war. Dein Haar wie Spinnweben im Morgengrauen. Erloschen die Streichhölzer deiner Augen. Mein Leben liegt dir zu Füßen wie ein frisch geschaufeltes Grab. Es gibt kein Zurück, denke ich, während die Welt sich von mir abwendet. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: deine Gegenwart oder mein Vergangensein.
Dieses scheue Tier
Dieses scheue Tier, mein Blick – zum Fenster hinaus, immer auf der Flucht, immer auf der Suche nach einem Ausweg, noch bevor die Gefahr droht. Es gibt keinen Halt in den Dingen. Ich atme, woran ich verzweifle: die völlige Leere des Tatsächlichen. Die Wirklichkeit füllt mich aus wie eine Seifenblase, die in allen Farben schillert, während sie zerplatzt. Fröhliche Gewissheit eines Abgesangs, keine Minute zu früh. Sonnenlicht auf der anderen Straßenseite. Ich ziehe mich zurück, genieße mein Leben in einer verschlossenen Schublade.
Am Anfang
Am Anfang war kaum mehr als ein unverständliches Flüstern, eher noch ein Säuseln, ein bloßer Hauch von Sprache, keine Botschaft, nichts, auf das man sich berufen könnte, weder Nachricht noch Geschichte, nicht die leiseste Mitteilung. Lediglich die Andeutung einer möglichen Ankunft von Sinn. Wo nichts ist, genügt wenig, um Großes heraufzubeschwören. Und so lag selbst an diesem nichtigen Anfang ein Staunen in der Luft, das umso aufgeregter war, je geringer der Anlass schien. Ein Wispern nur, unmöglich von einem Raunen des Windes zu unterscheiden, dennoch verheißungsvoll – stummes Versprechen einer Welt, die niemals sein wird.
Wenige Minuten
Wenige Minuten, die über Erfolg oder Scheitern entscheiden, Augenblicke oder Wimpernschläge, alles in allem, die Zeit – oder was wir dafür halten. Nichts geht so leicht über die Lippen wie ein Schrei, nichts ist weniger menschlich. Ich beiße mir auf die Zunge, während ich mich um den Verstand rede. Unbedeutende Worte, die mich zum Narren halten, ein Hauch von Poesie über allem Versagen. Das gute Ende aber ist längst versprochen: die friedliche Heimkehr ins Unsagbare. So wird, was zu begreifen wäre, zum Sekundenschlaf erklärt. Wenn nichts mehr geht, erliegen wir dem Zauber der Einfachheit.
Tiefe Finsternis
Tiefe Finsternis am hellichten Tag: mein Herz, jener unbekannte Ort hinter den Bergen aus Traurigkeit. Ohne Hoffnung breche ich auf, begebe mich auf den Holzweg, umnachtet, betrübt. Der schwarz gefiederte Schrei einer Krähe – wunderliches Tier, nicht einmal du willst mich begleiten. Wohin verliere ich mich? In welche Abgeschiedenheit, welche Unauffindbarkeit? Die schwankende Erde unter meinen Füßen, maßlos das Treiben schwerer Wolken vor gähnendem Himmel. Wie ein Betrunkener stolpere ich in die Stille. Ein letzter Blick zurück: ohne jede Ahnung, woher ich komme. Dort also bin ich gewesen, wo nichts ist als Aufbruch.
Zur Ruhe kommen
Zur Ruhe kommen oder gleich aufs Abstellgleis, die Hände in den Schoß legen, Kopf in den Sand, aller Sorgen entledigt. In den Spiegel sehen, ohne zu erschrecken, die eigenen Träume träumen, in meiner Haut stecken. Verwegenheit des Denkens an Tagen wie diesem, die man vergisst, noch ehe sie vergangen sind. Die Heimlichtuerei der Dinge aushalten, ihr Tuscheln und Grinsen, die verstohlenen Blicke. Tage, die man niemals vergisst. Dinge, die mir nicht aus dem Sinn gehen. Meine Tränen übergebe ich dem Sturm. Zurück bleibt nur eine vertrocknete Hülle: das angehaltene Herz meiner Lebenslust.
In aller Kürze
In aller Kürze ein ganzes Leben, auf engstem Raum alles ausgebreitet, einfach alles, nichts vergessen, kein einziges gekrümmtes Haar. Zwei, vielleicht drei Schritte bis zur nächsten Tür, verschlossen, dahinter Schreie, Musik. So unvorstellbar nah die Wirklichkeit, nicht einmal verborgen, geradezu unheimlich. Kein Fenster. Das flackernde Licht einer Kerze, beinahe lärmend. Ohne Umschweife taste ich mich voran, das Ziel vor Augen, das Ende einer Reise, die kaum begonnen hat. Lautlos, auf Zehenspitzen, ein verirrter Sonnenstrahl in einer Gruft. Mein Name an den Wänden. Der Name eines Fremden.
Wie ein Vogel
Wie ein Vogel in den Untiefen des Schlafs versinkt, lautlos singend, zum Sterben geschmückt, so verliere ich mich an die Stille. Meine Träume an Wolken gefesselt, meine Worte mit Nacht getränkt. Seit einer Ewigkeit schon auf der Flucht. Ich laufe davon, ohne mich umzudrehen, ohne zu wissen, wer oder was mich verfolgt. Ohne Ziel, ohne Richtung. Ich renne, aber ohne mich von der Stelle zu bewegen. Meine Schritte sind wie Sternschnuppen, stolpernd küsse ich den Boden, stürze, setze zum großen Sprung an in die schwarzen Klauen der Bewusstlosigkeit.
Abkürzung ins Glück
Abkürzung ins Glück: dein Lachen – oder was davon übrig ist, seit wir uns nicht mehr in die Augen sehen können. Nichts also, wenn man es genau nimmt, der Traum vom Glück nur eine Notlüge, an die wir uns klammern wie kleine Kinder. Abkürzung ins Verschwinden, auf kürzestem Weg zurück ins heimelig Unbekannte: dein Blick, der an mir zu verzweifeln scheint. Regen in den Wimpern, Worte wie Honig, das Vogelgezwitscher in deinem Haar. Nichts von alldem begreife ich, seit du verstummt bist. Die Dinge wenden sich von mir ab, wenn ich die Hand nach ihnen ausstrecke. Alles ist noch da, aber nur um mich an dein Schweigen zu erinnern. Sogar dein Lachen ist mir noch geblieben – das mich von der Welt abschneidet.